Tag Nr. 7 in New York:
Tag Nr. 7 in New York:
Das Berichte schreiben setzt mich heute unter Stress. Der Kopf will noch nicht so richtig, dröhnt etwas vom Schlafmangel und an der Lippe hat sich eine Allergiebeule a la Botox-Experiment gebildet. (Fotos davon werden nicht veröffentlich. Die kommen in mein internes Handy-Horror-Album ). Irgendwie hat mein Körper wohl Hysterie mit Histamin verwechselt….
Es dauert lange, alle Erinnerungen des letzten Tages zusammen zu fassen und hilfreich für Außenstehende (genannt Follower , also euch) zu verpacken….
Ich stopfe mir auf dem Weg zur Probe noch einen Bagel zwischen die Zähne und einen Kaffe auf die Hand.
Eine Ansage von Sebastian Sendzik mit Impuls und die letzte Probe der Reise geht los. Es fehlen einige wegen Müdigkeit, Angeschlagen sein und Kraft tanken. Ich beschließe alles ganz ruhig anzugehen, wohltuenden Aufwärmen- und Stimmübungen mit Relax-Charakter. Wir schwingen uns langsam ein.
Ich krame aus meinem I-Pad „Alpha and Omega“ vor, das knüpft an gestern Abend an, wo wir das Lied zusammen in Burlington gesungen haben.
Alle lernen die Stimmen, den Text und das Arrangement schnell und wir können gut wieder in einen Klangteppich und ins Gospelfeeling kommen.
Kleine Pause, dann noch die beiden Aufritts-Songs wiederholen (vielleicht dürfen wir noch mal was zum besten geben) und dann hören wir uns die Songs an, die wir in der Emmanuel Baptist Church nachmittags proben werden.
Die Angst, in der auf uns zu kommenden Probe mit dem Kirchen-eigenen Chor nicht zu bestehen zu können wird etwas aufgelöst.
Und nun? Wie beschließe ich eine letzte Probe einer so ereignisreichen Reise?
Ich denke daran, wie alles begonnen hat, in der Greater Allen Church mit der Geschichte vom verlorenen Sohn.
Wir nehmen „Welcome Home“ von Hans Christian Jochimsen und sind bewegt.
Es rollen Tränen.
Dieses Lied von bedingungsloser Liebe, offener Vergebung und großartiger Annahme lässt uns noch mal tief fühlen und nachdenklich werden.
Ich versuche noch, die richtigen Abschlussworte zu finden, verabschiede mich vom coolen Techniker „Mr. Styler“ und kann mich schwer von dem mir vertraut gewordenen Raum trennen.
Little-Gospel-Queen überredet mich zu einem gemeinsamen Mittagessen in einer „Bäckerei“. Wir bummeln ein paar Blocks weiter und betreten ein Paradies von Kuchen, Zucker, Farbstoff und Kaffeeduft. Mein Magen sagt: herrlich, aber später.
Franziska Wackerbarth freundet sich mit der Kellnerin an, ich bestelle einen absolut gesunden healthy Salat und wir nehmen Käsekuchen-anmutendes Zuckerzeug mit Erdbeerglibber-Haube to go.
Im Hotel klaue ich eine Kaffeekapsel vom Service-Wagen des Zimmermädchens (die waren auch von Geisterhand gestern verschwunden) und gebe der Bronchitis-Kaffeemaschine einen beherzten Klapps, schlabbere mir den Kuchen rein… Noch ein kurzes Verdauungs-Beine-Hoch und dann schon wieder Sachen zusammen packen, Bus besteigen und auf zur Emmanuel Baptist Church.
Auf der Fahrt durch Brooklyn bemerke ich erst den Aufdruck auf dem T-Shirt meiner jungen quirligen Reisebegleitung: „Let your light shine so brightly, that others can see their way out of the dark.“ Ich muss lächeln….
Wir kommen an. Eine große alte Kirche empfängt uns mit beeindruckendem Kirchenraum, diffusem Licht und wabbelnder leiser Hammond-Orgel-Music.
Wir werden in Stimmen gesetzt, der „Kirchenchor“ kommt dazu und ich sitze umgeben von dunkelhäutigen Gospel-Divas in der „Alto-Section“.
Anfänglich Schüchternheit wechselt in Gemeinschaftsgefühl und ich bin mittendrin im black Gospelfeeling, Chor-Gossip und Handy-Gedaddel. (Meine Nachbarin sucht nach Schuhen im WorldWideWeb).
Der blutjunge Chorleiter, genannt Music Minister, leitet etwas unstrukturiert die Probe. Sein großer Bruder sitzt bequem hinter seiner Hammond-Orgel und amüsiert sich über die „Ich-bin-total-unvorbereitet-Hilferufe“ seines „Chorleiters“ und trägt uns, unterstützt von einer Loop-Rhythmus-Maschine, durch die Songs.
Meine Gospel-Divas laden sich aufgrund der perfekten Vorbereitung des anleitenden Jungspunds die Texte vom Handy runter (zwischendurch wandern noch ein Paar Sneaker in den Warenkorb) und nehmen die irgendwann endgültig festgelegten Stimmen auf Recording Apps auf.
Ich komme gut mit, mache Witze links und rechts und Stacy, Queensy, René und Sabrina loben meine Stimme. I am in!!!
Gefühlt ist es zu kurz, ich könnte noch Stunden weitersingen, aber der Time Square wartet mit Abschluss Essen auf uns. Rein in den Bus, äh Stau, und millimeterartig wühlen wir uns Richtung Manhatten Mitte.
Ups…. Da ist es wieder: pralles Leben mit unüberschaubare Menschenmassen, kreischenden Leuchtreklamen, höllenlaute indische Musik zu einer Live-Performance und diverse skurrile Film-Figuren zum anfassen.
Meine Handtasche saugt sich an meinem Körper fest und Isabella zählt die Straßen-Nummern ab, die wir noch zum Restaurant brauchen. (Zum Glück lässt sie ihren überdimensionalen Old-School-Papier-Stadtplan in der Tasche. Diese Akrobatiknummer hätte mich doch etwas überfordert.)
Für alle Fälle habe ich ja Eric dabei, der mit alle meine Fragen in NY beantworten kann.
Das Restaurant heißt „Ellen‘s Stardust“ und wir haben zum Glück reservierte Plätze und im Vorfeld ausgesuchte „Speisen“. Durch den Seiten Eingang kommen wir in ein lautes überfülltes Diner mit Balkon und singenden Kellnern.
Durch den Zeremonien-Meister wie im Boxring werden wir über Mikrofon lauthals angekündigt und nehmen Platz: „The Geeeeeeermaaaaaaans!“ Yeah, gröhl, kreisch, lach…. Etwas peinlich? - Alles dabei!!!
Welcome to my world of emotions.
Die Kellner singen sich durch sämtliche Pop-, Rock- und Musical-Nummern und wir schieben uns dazwischen Pappdreiecke mit Natcho-Geschmack, Burger (ich hatte natürlich wieder einen very healthy Salat) und eingepackte Eisschnitten (leider nur Vanille mit sich auflösender Schokokeks-Ummantelung, leider kein Fürstpückler) als Nachtisch in den Mund.
An Unterhaltung, Austausch über das Erlebte war nicht zu denken. Hier war nur noch wichtig, ob man die Hookline des nächsten Gassenhauers mitsingen kann oder die Papier-Schnipsel-Konferti wieder aus den Haaren und Dekolleté gefischt kriegt.
Die aufkommende Müdigkeit und das noch ausstehende Kofferpacken lassen uns das letzte Mal Metro fahren. (Schuhfoto anbei) und auf mich wartet noch eine Überraschung im Hotel.
Die Handtuchdiebinnen von gestern hatten ein Einsehen mit mir und mein Bad beherbergt plötzlich Mengen von Handtüchern, Badematten und Waschlappen. Auch die erkältete Kaffeemaschine wurde wieder umringt von Kapselnachschub und neuen Papp-Bechern. Magic!!!
Ich bin überwältigt und habe dafür in meinem Sprachgebrauch einen Namen:
„Amazing Grace Moment“. Der Moment, in dem ich mehr bekomme als ich erwarte.
Aber…. Dass Gott jetzt ne Hotelkette besitzt ist mir neu!
Herzliche Grüße aus New York!
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