Tag Nr. 8 in New York:
Früh aufgeweckt durch sanfte aber hartnäckige Melodien meines Handys startet mein Abreisetag. Heute gehen die “letzten Male“ weiter mit „ein letztes Mal dieses überirdisch variantenreiche Ballaststoff-haltige und very healthy Frühstück“ nachdem ich mich in meine Auftrittsklamotte schmeiße.
Ach ja, den Reisebericht muss ich noch hochladen….wohlweislich ja gestern Abend/Nacht schon geschrieben.
Der Button „Beitrag“ ist schnell gedrückt und dann überlasse ich Facebook den Rest, frühstücke, raffe mein Gepäck, letzter „Idiotengang in Zimmer und Bad“ und dann ab zum Bus.
Wie ihr wisst, hat das mit FB nicht geklappt….(Es ist auch heutzutage so schwer, gute Mitarbeiter zu finden)
Der altersschwache Fahrstuhl des Hotels wird noch mal auf den Prüfstand gestellt, ob er mit 5 Leuten und 10 Koffern klar kommt. Angelika bleibt dann alleine mit 1 Koffer stecken und wir warten auf sie geduldig im Bus.
Auf zur Emmanuel Baptist Church zum Gottesdienst. Ich freue mich auf meine Alto-Mädels, wobei die neue Sitzordnung an der Seite mit einen Strich durch die Rechnung macht. Die black Power Section im Alt hat eher vorne platziert und ist teilweise mit Einzelmikros ausgestattet.
Ich organisiere mich in die letzte Bank vor dem Tenor, nehme neben einer von 3 Birgits Platz und dann werden Tempo-Boxen und Pappschilder mit Eisstielen gereicht. Hä?
Ach ja, klar. Das sind Fächer, wenn’s dem heiligen Geist zu warm wird. Da ich eher von der Frier-Fraktion bin, vor allen Dingen in meinem Outfit von Jumpsuit, Pailetten-Jäckchen und…. nein, keine High-Heels (ich habe meiner Eitelkeit heute mal die rote Karte gezeigt und flache Slingpumps gewählt). Ich entscheide mich für den Fächer mit dem Konterfei von Martin Luther King (immer eine gute Wahl) und der Beerdigungsinstituts-Werbung auf der Rückseite.
Der Restchor bekommt vom coolsten Techniker der Welt (mit Dreadlocks und Basecap) spärlich Overhead-Mikrofone mit viel Klebeband am Kopf „zwischengesteckt“. Lustige Konstruktion, wobei mir schleierhaft ist, wie da ein Ton aufgenommen werden soll.
Wir proben, angeleitet von Mr. Unstrukturiert, die Songs von gestern.
Ich bin erstaunt, was ich noch behalten habe und lege meinen Handytext weg. Go with the flow. Das habe ich ja hier in NY gelernt.
Fast unmerklich beginnt der Gottesdienst.
Ich erinnere mich an einen Spruch der Mitreisenden Dorith: „Wenn sie anfangen zu schreien, fängt der Gottesdienst an.“
Noch ist die Ansgageform moderat, Begrüßung von „The German Gospel Choir“, Bibeltext-Lesung und jede Menge Gebet (manchmal ist mir nicht klar was, was ist - alle Übergange scheinen fließend).
Dann sind wir dran und meine Seele füllt sich wieder mit diesem „sich zu Hause fühlen“ in Musik und Gemeinschaft, in Tönen und Texten, in Tanzen und Klatschen. Birgit und ich grooven super schön zusammen und in mir wird mein Herz weit und ich bin wieder mal sehr berührt.
Unsere Songs gehen fließend in einige Worship-Songs über und die ganze Gemeinde improvisiert stimmgewaltig vor sich hin. Wow!
Mir ist nach heulen zu Mute vor Dankbarkeit, Freude, Demut, auch mit dem Gedanken „es ist das letzte Mal auf dieser Reise“….. Traurigkeit. Trotzdem kann ich es genießen und mit vollem Sing- und Körpereinsatz dabei sein.
Nach zwei Fragen, die wir in Kleingruppen-Murmeln untereinander beantworten können und einem Solo-Song von Herrn Music Minister mit dieser tollen Band „Falling in Love with Jesus“ (kleine Improvisations-Session mit dem schon auf der Kanzel stehenden Prediger in Call and Response) gibt es den „Sermon“, also die Message (manchmal auch etwas emotionaler, schreien war auch dabei…)…kurzweilig und abwechslungsreich. Er liest uns den Predigttext vor und benutzt sehr persönliche Beispiele und tolle Bilder zur „Auslegung“.
Eins bleibt bei mir hängen: Eine elektrische Schiebetür geht nur auf, wenn man nah genug davor steht. „The door will open when you take a step forward.“ Also: mutig sein und einen Schritt wagen. Dann werden sich Türen öffnen. Yes, I can!
Die Sammlung geht am Chor vorbei, ich hätte eh nur noch Euros gehabt.
Wie schon gewohnt geht es dann schnell zu Ende, denn hier wartet der nächste Gottesdienst auf neue Besucher. Wir strömen raus in die Sonne.
Isabellas Freundin Inka ist samt Mann gekommen und wir fallen uns in die Arme. Ein schönes Wiedersehen. Sie beschenkt uns noch mit polnischem Süsszeug, besorgt uns noch Bagels als Proviant und dann hüpfen wir schon wieder in den Bus. (Vorher habe ich mich noch zwischendurch meine Auftrittskleidung in eine bequeme flugtaugliche Jogging-Kombination getauscht. Ja, richtig gelesen, auch Frau Style-Fashion-Diva Hamburger besitzt eine Jogginghose).
Little-Gospel-Queen, ihre große Schwester und die Mama Andrea fahren nicht weiter mit. Die fliegen vom JFK nach Berlin. Dafür haben wir alle „Ausgefallenen“ wieder dabei und Jan Meyer wird mit großem „Hallo“ begrüßt.
Gefühlt nur drei Straßen weiter spuckt der Bus ins wieder aus. Uns zieht es in einen koscheren Bagelladen mit dem Namen „Grabstein‘s“, was hier wohl nichts mit dem allerseits zelebrierten Halloween zu tun hat. (Viele Häuser sind jedenfalls schon deftig geschmückt.)
Zwei Café au lait bestellt (unsere eigenen, mit polnischer Liebe umhüllten Bagels essend) schäkern wir noch mit Baby Zeek (Abkürzung von Hezekiel) am Nachbartisch.
Nun aber schnell wieder zurück zum Bus. Abfahrt zum Flughafen. (Im Bus schreibe ich dann den verschwundenen Reisebericht neu)
Nun geht dieses Flughafen-Prozedere wieder los: Warten in der Schlange, Koffer wiegen und aufheben, Bordkarten, Handy aufladen, Passkontrolle, Ticket-Check, Sicherheitskontrolle mit Ganzkörperscan, Gate suchen, Warten, Handy aufladen, Warten….
Der Abflug verspätet sich.
Aufruf zum Bording…. Schlange…. Ich drängele mich geschickt vor…und rein ins Flugzeug. Das übliche Platzsuchen, Handgepäck verstauen, Sitz organisieren geht los und irgendwann kehrt Ruhe ein und wir heben ab.
Müde und voller Eindrücke bestellen Isabella und ich natürlich Tomatensaft und diese tollen Moleküle lassen mich gut einschlafen.
Eigentlich wollte ich eine Film gucken, der läuft streckenweise ohne meine Aufmerksamkeit….aber Hollywood-Schinken kann ich mir auch mit Lücken zusammenreimen. Pünktlich zum „Happy End“ wache ich auf.
Und schon flattert aus einem Rollcontainer mit charmanter Stewardess-Lächeln-Begleitung (ist das bei denen eigentlich einoperiert?) ein „Abendessen“ auf meinen abschüssigen Klapptisch. Die sofort danach gereichten Getränke (ich probiere mal den Lufthansa-eigenen Weißwein, dazu ein Wasser) surfen unangekündigt in Richtung meiner Jogginghose. Ich kann sie kurz vorm Tauchgang noch auffangen und ihnen Halt in der Bechervertiefung und dem Essentablett geben.
Alles auf diesem Tablett ist gefühlt verpackt, eingeschweißt oder zugetackert. Ich nehme die Herausforderung an und „entkleide“ alles Essbare: lauwarme Veggi-Pasta, Papp-Brötchen mit Butter und Gummikäse, Salat mit an Italien vorbeigeflogenem Dressing und Schmand-Crumble-Geschmacksverstärker-Nachtisch. Paradies is back!
Der Wein wird’s rausreißen, denke ich und stopfe alles tapfer in mich rein. Innerlich spricht mein Vater zu mir: „Aufessen… wer weiß, wann es wieder was gibt!“
Ich falle wieder in den Schlaf (zum Glück kann ich sogar im Stehen schlafen) und werde zum „Frühstück“ (an dieser Stelle wäre ein hysterischer Lachanfall angebracht) von Isabella geweckt.
Mini-Kastenkuchen mit Obstsalat.
Hauptsache Kaffee. Irgendwo in meinem müden Schädel brummelt mein Vater wieder seinen berühmten Satz….
Dann setzt der Flieger zum Landeanflug an, wir sind wieder in good old Germany. Ich vergesse mich abzuschnallen und merke, dass ein Teil von mir „drüben“ bleiben wollte. Meine Seele braucht noch ein bisschen, mein Herz ist noch im American Gospel Feeling und mein Kopf noch voller Bilder.
Durch die Passkontrolle mit Gesichtserkennung durch zockeln wir alle zum Gepäckband, wo schon ein herrenloser Koffer einsam seine Runden dreht.
Dann trudeln unsere Gepäckstücke ein…..
Eine herzliche Abschiedsrunde setzt ein, Umarmungen, gute Wünsche und so viel Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit, die Erfahrungen und und und…..
Wir strömen zum Ausgang.
Der Mann, den ich liebe, empfängt uns. Nach Begrüßungsküssen und inniger Umarmung hievt er Gentleman-like Isabella’s und meinen „tonnenschweren“ Koffer ins Auto und wir reisen Richtung Köln ab.
Am Hildener Kreuz treffen wir auf Isabella‘s Mann Jürgen. Koffer umpacken in sein Auto und Abschieds-Selfie. Isabella und ich umarmen uns lange, gucken uns noch mal tief in die Augen und nicken uns vertraut zu.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis Wuppertal.
Dort wartet ein Vollkorn-Käsebrot und ein Kaffee auf mich. Hallo Heimat!!!
Auf Wiedersehen New York!!! Ich komme bestimmt wieder.
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